Präses Latzel fordert: „Menschenwürdig mit Menschen auf der Flucht umgehen“

Auch Flüchtlingen aus der Ukraine eine Heimat geben/Griechenlandreise

Düsseldorf/Kos. „Uns ist es wichtig, dass wir menschenwürdig mit Menschen auf der Flucht umgehen.“ Zum Ende seiner sechstägigen Griechenlandreise setzt sich Präses Dr. Thorsten Latzel deutlich für Geflüchtete ein. „Durch den schrecklichen Krieg in der Ukraine kommen jetzt noch einmal ganz neu Menschen zu uns nach Deutschland, nach Polen, Ungarn, in verschiedene Länder. Es ist gut, wenn wir auch diesen Menschen eine Heimat geben“, sagt der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland in einem Videostatement, das auf der Insel Kos aufgenommen wurde.

„Es geht um Menschen, nicht um Zahlen.“ Das sei die wichtigste Botschaft, die er von seiner Reise nach Thessaloniki und Kos mitgenommen habe. Mit Blick auf die Geflüchteten, die an den Außengrenzen der Europäischen Union (EU) stranden und vielfach rechtswidrig zurückgedrängt werden, sagt er: „Allen diesen Menschen ist gemeinsam, dass sie an einer Zukunft arbeiten wollen, dass sie eine Hoffnung haben wollen.“ Der Umgang mit ihnen sei aber nicht hinnehmbar. So könne ein zwei- bis dreitägiges Asylverfahren, wie es beispielsweise auf der Insel Kos betrieben werde, gar nicht klären, ob die Geflüchteten nicht zum Beispiel vor ihrer Flucht in ihren Heimatländern Gewalt oder Folter erlitten und deshalb Anspruch auf Schutz hätten.“

„Wir brauchen eine andere Politik“

In den Verfahren und im Umgang mit Geflüchteten gehe es aber um Menschenrechte, unterstreicht Präses Latzel: „Es geht um die Werte, für die wir in der EU stehen. Gerade wenn wir als Christinnen und Christen auf die christlichen Wurzeln der Menschenrechte hinweisen, dann müssen wir uns auch dafür einsetzen, dass Menschen diese Rechte haben und erhalten können.“ In diesem Zusammenhang lobt Thorsten Latzel das Engagement gerade junger Leute und vieler Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Menschen einsetzen. Auf seiner Reise traf der oberste Repräsentant der rheinischen Kirche u. a. Mitglieder der evangelischen Gemeinde in Katerini, die sich stark engagieren. Latzel, der von Kirchenrat Rafael Nikodemus, dem Migrationsfachmann der Evangelischen Kirche im Rheinland, begleitet wird, traf auch Dorothee Vakalis. Die inzwischen pensionierte Pfarrerin in Griechenland hat die Organisation „NAOMI – Ökumenische Werkstatt für Flüchtlinge Thessaloniki“ ins Leben gerufen. Dort sorgen Frauen dafür, dass junge geflüchtete Menschen Arbeit und Heimat finden. Dorothee Vakalis appelliert nachdrücklich an Deutschland und die Europäische Union: „Wir brauchen eine andere Politik, eine Politik, die auf Menschenrechten basiert“, sagt sie im Abschlussvideo der Reise (ihr Statement ab 10‘07‘‘). Es brauche eine Politik des Zusammenlebens. Sie prangert an, dass Flüchtlingskinder in Griechenland an Unterernährung leiden: „Das kann doch nicht sein!“

Deutliche Kritik an der Europäischen Union

Deutliche Kritik an der EU übt auch Robert Nestler. Der Anwalt aus Berlin arbeitet für Equal Rights Beyond Borders und beschäftigt sich mit den Asylverfahren in Griechenland. Die Idee hinter diesen Verfahren sei, so Nestler, dass die Menschen in die Türkei als sogenanntem sicheren Drittstaat zurückgeschoben würden. „Die Türkei nimmt aber seit März 2020 niemanden mehr zurück.“ So blieben die Geflüchteten in Abschiebehaft zwischen zwei Welten gefangen (ein Statement im Video ab 15‘27‘‘). Kritik gibt es auch von Michael Kienzle, Mitbegründer der unabhängigen Rechtsberatungsstelle Mobiles Info Team im nordgriechischen Thessaloniki. Seine Organisation kümmert sich u. a. um Fragen der Familienzusammenführung. Auch hier gebe es absurde Abgrenzungen und Zuständigkeitsfragen. „Ich würde mir sehr wünschen, dass man in Deutschland die Situation von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen in Griechenland nicht vergisst“, so Kienzle. Es müsse darauf gedrungen werden, dass im Rahmen der EU sehr viel mehr Verantwortung übernommen wird. „Der griechische Staat ist mit der Situation überfordert.“ (sein Statement im Video ab 26‘30‘‘)

Präses Latzel: „Werden Sie nicht müde!“

Auch Präses Dr. Thorsten Latzel mahnt mehr Verantwortung der EU an: „Was eigentlich Aufgabe von uns als EU, als Staatengemeinschaft ist, das wälzen wir ab auf Griechenland, auf einen Staat an der Grenze, der selbst noch unter der Wirtschaftskrise leidet. Und obwohl wir wissen, dass es nicht funktioniert mit den Hotspots oder mit der Abschiebung in die Türkei, gucken wir einfach weg und lassen geschehen, was hier Tag für Tag passiert.“ Umso mehr danke er den Menschen, die sich in Griechenland und anderenorts für Menschen auf der Flucht einsetzen. Nicht zuletzt, weil der Krieg in der Ukraine viele Menschen zur Flucht treibe, sei das Engagement dringend notwendig. „Deswegen danke ich an dieser Stelle allen, die sich seit vielen Jahren schon für die Flüchtlingsarbeit engagieren. Werden Sie nicht müde! Lassen Sie nicht nach!“

  • 1.3.2022
  • Jens Peter Iven
  • Marcel Kuß