Brief des Präses an die rheinischen Gemeinden mit Erläuterungen zur Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung

Liebe Schwestern und Brüder,

heute wurden im Rahmen der EKD-Synode in Ulm die Ergebnisse der sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) vorgestellt. Sie gibt ein sehr differenziertes Bild von der Situation von Religion bzw. Kirchen in Deutschland – und bietet zugleich hilfreiche Orientierungen für die zukünftige Entwicklung der Gemeinden.

Die Mitgliederzahlen der Kirchen gehen zurück, die Gottesdienstbesuche ebenso und damit auch christliche Religion – weil Glaube auf die Dauer Gemeinschaft braucht. Zugleich ist die Erwartung an die Kirchen weiter hoch – auch bei Konfessionslosen. Kirche ist ein zentraler Ort, wo Menschen Glauben lernen und sich für eine bessere Welt engagieren.

1. Die Zahlen der KMU spiegeln eine veränderte Familiensituation wider: Oft ist nur noch ein/e (Ehe-)Partner/in Kirchenmitglied. Die Weitergabe christlichen Glaubens in den Familien ist weniger selbstverständlich geworden.
Die Evangelische Kirche im Rheinland stärkt daher ihre Arbeit, Familien in der christlichen Erziehung ihrer Kinder zu stärken: durch religionspädagogische Angebote in Kitas, in der Kinder- und Jugendarbeit oder auch speziell für junge Eltern. Auch Kinder- und Familiengottesdienste spielen dabei eine zentrale Rolle – in den zurückliegenden Jahren wurden hier neue Formate entwickelt.

2. Die Ergebnisse der KMU zeigen zugleich, welche große Bedeutung die Konfirmation, der schulische Religionsunterricht und die kirchliche Jugendarbeit für die religiöse Entwicklung der Befragten haben. Hier finden – in unterschiedlicher Form – individuelle Lebensbegleitung, Glaubensvermittlung bzw. -reflexion und ein Lernen sozialer Verantwortung statt. Die letzte Landessynode hat auch diese Arbeit noch einmal bekräftigt.

3. Wichtige Berührungspunkte mit Kirche sind aus Perspektive der Mitglieder weiter Taufen, Trauungen und Trauerfeiern. Die Landessynode wird sich im Januar 2024 u.a. mit der Frage beschäftigen, wie die kirchlichen Regelungen so verändert werden können, dass noch stärker auf die pluralen Lebenssituationen und Bedürfnisse der Kirchenmitglieder eingegangen werden kann. Kirche nahe den Menschen – so versteht sich die Evangelische Kirche im Rheinland. Das gilt zum einen sozial-diakonisch für alle Menschen, die Hilfe brauchen. Beratung von Menschen in Not, Einsatz für Klimaschutz und für Geflüchtete gehören für die große Mehrheit zu Kernaufgaben von Kirche – auch aus der Sicht Konfessionsloser. Das gilt zum anderen als persönliche Lebensbegleitung in Form von „Mitgliederkommunikation“. Das kann in verschiedener Weise stattfinden, etwa durch persönliche Besuche (zum Beispiel bei Taufeltern oder Zugezogenen) oder auch in digitalen Formaten.

4. Erfreulich ist der Befund, wie viele kirchlich beheimatete Menschen sich allgemein gesellschaftlich engagieren. Wer Mitglied in einer Kirche ist, ist markant häufiger insgesamt sozial engagiert als Nichtmitglieder. Auch belegt die KMU, dass die Kirche und ihre Diakonie nach wie vor eine hohe Reichweite in die Gesellschaft hinein besitzen. Dass die befragten Menschen hohe Erwartungen daran haben, dass die Kirche sich in der Gegenwart verändert, deckt sich mit dem eigenen Anspruch. Engagierte wollen in ihrer Kirche, so die KMU, Gemeinschaft erfahren, sich für andere einsetzen, etwas umsetzen können, für ihren Glauben etwas erleben. Mit dem neu eingerichteten Forum Fortbildung der Landeskirche soll dieses ehrenamtliche Engagement gestärkt werden.

5. Unter den Konfessionslosen sind sehr viele Menschen, die früher ihre biografische Heimat in der evangelischen Kirche hatten – rund 10 Millionen Menschen. Hier gibt es eine Möglichkeit der Ansprechbarkeit und neuen Kontaktaufnahme. Der Anteil der Bevölkerung, die für religiöse Themen nicht oder nur begrenzt ansprechbar sind, nimmt zu (36 Prozent dezidierter Religionsgegner; 45 Prozent der Befragten tauschen sich nicht über religiöse Themen aus). Daneben gibt es aber einen großen Anteil der Indifferenten bzw. Distanzierten in verschiedensten Ausprägungen.

6. Vertrauen ist essentiell für die Arbeit der Kirchen. Insgesamt sinkt das Vertrauen in die beiden Kirchen als Groß-Institutionen. Bei den eigenen Mitgliedern existiert aber in der evangelischen Kirche weiterhin ein hohes Vertrauen. Das hat im Vergleich zu früheren Erhebungen sogar noch zugenommen. Dieses Vertrauen zu erhalten und zu stärken, ist eine zentrale kirchliche Aufgabe, etwa auch im Blick auf den Umgang mit dem Thema sexualisierte Gewalt. Es gibt einen grundlegenden Änderungsbedarf der Kirchen, so fast alle Befragten. In der evangelischen Kirche ist die Meinung der Mehrheit ihrer Mitglieder, dass es grundsätzlich in die richtige Richtung gehe (78 Prozent).

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Dr. Torsten Latzel
Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland
praeses@ekir.de

Hinweise:

Informationen zu den Ergebnissen der KMU finden sich unter https://kmu.ekd.de

Am 30.11. beschäftigt sich das Forum Strategische Innovation mit den Ergebnissen der KMU: https://termine.ekir.de/veranstaltung_im_detail729620.html

  • 14.11.2023