Fixpunkt: Epiphanias

Liebe Leser*innen!
„Wer Erscheinungen hat sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen“. So möchte ich einen bekannten Satz von Helmut Schmidt übertragen.

„Erscheinungen“? Erscheinungen, die irgendwie irreal anmuten… Womöglich eine Erscheinung, die nur einer kleinen Gruppe von Menschen zugänglich ist? „Ich sehe was, was Du nicht siehst“? Geht es darum, wenn „bei Kirchens“ von „Epiphanias“, dem Fest der Erscheinung die Rede ist? Oder worum sonst geht es am 6.Januar, mithin dem heutigen Tag? „Epiphanias“ – das ist ein griechisches Wort. Es heißt übersetzt „Erscheinung“, genauer gesagt: Die Erscheinung des Menschen Jesus Christus in unserer Welt.

Und diese Erscheinung verändert alles.
Sie verändert die Art, wie Gott wahrgenommen werden will, sie verkürzt den Abstand Gottes zu den Menschen und sie nimmt uns in die Pflicht, Menschen so anzunehmen, wie Jesus Christus Menschen angenommen hat. Also ein Bündel an Veränderungen, ein Bündel an Gaben und Aufgaben.

Zunächst: Gott kommt uns nah. Er verbleibt nicht in ferner Distanz.

Konnte Schiller dichten: „Brüder – überm Sternenzelte muss ein lieber Vater wohnen“, so kommt dieser liebe Vater in Jesus Christus zu uns. Und das als kleines, hilfloses, windeltragendes Baby das einfach nur liebgehabt werden will. Später dann – das Baby ist längst erwachsen geworden – später dann sagt Jesus Christus in radikaler Deutlichkeit, dass wir das Angesicht Gottes da sehen, wo wir das Angesicht eines unserer geringsten Geschwister sehen. Das muss man erst einmal wirken lassen: In den Augen der Hero-Junks, den Augen der Obdachlosen, den Augen der Menschen, die als Flüchtlinge in Booten übers Meer kommen oder auch in den zunehmend hoffnungslosen Augen jugendlicher Klimaaktivist*innen sehen wir das Angesicht des menschenfreundlichen Gottes.

Wir sehen das Angesicht Gottes, wenn wir das Angesicht Jesu Christi sehen. Wobei es sicher so ist, dass Jesus nicht anders ausgesehen hat als die Menschen seiner Region, die Menschen seiner Zeit.

Und trotzdem lässt die Nähe Gottes zu, Jesus so zu sehen, als ob er einer von uns wäre. Er wirbt um unser Vertrauen, um unsere Liebe und darum, dass wir ihn ernst nehmen. Und das geht am besten, wenn Menschen ihn so sehen, wie sie sich selbst sehen. Und schließlich sehen wir Gottes Angesicht auch im Angesicht des gefolterten, blutenden, sterbenden Mannes auf Golgatha.

Gott steht deutlich und solidarisch bei Menschen in Leid, in Gewalt, Folter und Krieg. Dieses Wissen gibt uns Kraft. Die Kraft, Gewalt, Folter, Krieg, Antisemitismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und jeder anderen Form von Menschenfeindlichkeit deutlich entgegenzutreten. Wer immer zum Feind des Menschen wird, wird damit zugleich zum Feind Gottes. Das muss immer wieder deutlich gesagt werden.

Dieser Gott also ist es, dessen Erscheinung wir an Epiphanias feiern.

Ein Gott, der zu uns kommt.
Ein Gott, der uns nahe ist.
Ein Gott, der auf allen unseren Wegen bei uns ist.
Ein Gott, der uns in seiner Hand hält und der uns sanft auffängt, wenn wir aus der Zeit in die Ewigkeit fallen.
Ein Gott auch, der Fragen stellt: „Mensch, wo bist Du?“ „Mensch, wo ist Deine Schwester, wo ist Dein Bruder?“

Diese beiden Fragen beantworten zu suchen ist der eine Vorsatz, den ich mir im Neuen Jahr nicht nehmen lassen will. Vielleicht kann es ja auch Ihr Vorsatz werden?
Ein gesegnetes Neues Jahr wünscht Ihnen,
Ihr Pfr. Heiko Ehrhardt

Pfarrer der Kirchengemeinde Raubach

  • 8.1.2024
  • Beatrix Meyer
  • Red