„Mahlzeit!“,
ruft die sonst etwas schüchterne, ältere Dame in den Raum. Einige, mittlerweile vertraute Gesichter drehen sich um und nicken ihr freundlich zu. Sie findet leicht einen freien Platz und ein lockeres Gespräch. Viele kennen sich bereits in der ökumenischen Wärmestube. Denn interessanterweise spielt hier keine Rolle, welchen Glauben die Tischnachbarn haben. Auch sitzt der eher stille, aus Russland stammende Deutsche wie selbstverständlich neben den sich angeregt unterhaltenden Ukrainerinnen; wohlhabendere NeuwiederInnen hören, wie sich eine junge Frau über das frisch gebackene Brot freut, dass sie sich sonst nicht leisten kann.
Denn eine weitere, teure Heizperiode beginnt und die Lebenshaltungskosten bleiben hoch. Damit Menschen in all dem nicht noch alleine bleiben, teilen Ehrenamtliche Woche für Woche leckere Suppe aus, ermöglichen Tischgemeinschaft, schenken Wärme. Und ich spüre hier den Wert des gemeinsamen Mittagessens: zuhören und wahrnehmen, wie es den anderen geht, was sie beschäftigt, freut oder belastet. Auch zuhause ist diese Zeit wichtig: trotz Arbeit, Schule und Sport in Ruhe (ohne Handy!) miteinander essen. Mindestens einmal am Tag sitzen alle zusammen, besprechen und bekommen mit, wer wann wo ist und warum. Wie wichtig ist das, um als Gemeinschaft auf Dauer zu funktionieren!
In der Wärmestube klappt das seit Januar erstaunlicherweise mit ganz unterschiedlichen Menschen. Für mich ist das gerade in diesen Tagen ein Hoffnungszeichen! Wer mit einander den Tisch teilt, lernt sich kennen und verstehen, spürt die verbindende Gemeinschaft, sieht den Menschen und wird sich dann hoffentlich auch bei Konflikten nicht in Hass und Gewalt verlieren.
Eine schöne Perspektive für uns und unsere Welt: Gesegnete, friedvolle Mahlzeiten an diesem Wochenende und in den kommenden Wochen!
Pfarrer Tilmann Raithelhuber
Ev. Kirchengemeinde Neuwied
